Eine historische Orgel zum Klingen zu bringen ist eine der besten Möglichkeiten, um Geschichte nicht nur durch materielle, visuelle oder textliche Dokumente anschaulich zu machen, sondern auch auf akustische Weise. Solch ein Musikinstrument bietet einen höchst emotionalen Zugang: Vergangenheit kann immer wieder neu auf lebendige Weise vergegenwärtigt werden – beim Tragen des Gemeindegesangs, in der Kammermusik oder als solistisches Instrument.
Unter allen Musikinstrumenten ist die Orgel wohl nicht nur eines der unbeweglichsten und technisch komplexesten, sondern auch eines der langlebigsten. Sie ist
Bestandteil der jahrhundertealten Ausstattung von Kirchen oder Schlössern, aber gleichzeitig auch ein alltäglich genutztes Werkzeug, um Gottesdienste musikalisch mitzugestalten und den Gemeindegesang
zu führen. Und so klingt immer auch der Geist der Jahrhunderte mit, der durch die historischen Pfeifen strömt: Jede Orgel hat ihre eigene ganz persönliche Geschichte der vom jeweiligen Zeitgeschmack
geprägten Entstehungsphase, der Umbauten und Restaurationen. Die Orgelgeschichte der Bad Wildunger Stadtkirche mit seinen fünf in kurzer Abfolge immer wieder fast vollständig ausgetauschten Orgeln
ist vielleicht in unserer Region das beste Beispiel, wie sich wechselndes ästhetisches Empfinden im Orgelbau manifestieren kann.
Oft sind es kleine Dorforgeln, die fast unverändert die Jahrhunderte überdauert haben und noch quasi im Originalklang ertönen. Viele der historischen Instrumente aus dem 18. oder 19. Jahrhundert sind
mangels Geld oder Interesse oft nicht grundlegend umgearbeitet oder gar ausgetauscht worden und hatten dann in den letzten Jahrzehnten das Glück, auf umsichtige Organisten, Pfarrer und
Orgelsachverständige zu treffen, die den Wert eines Instrumentes in seiner eigenen ganz speziellen historischen Stilistik erkannt haben.
Mit unserem Projekt verfolgen wir das Ziel, einige dieser ganz besonderen Schätze noch mehr ins Bewusstsein zu rücken. Durch das Zusammenspiel von verschiedenen
Instrumenten zusammen mit unterschiedlichen Orgeln lassen wir uns inspirieren in Musikauswahl, Besetzung und Interpretation. Indem wir Orgeln in der Region kennenlernen, zum Klingen bringen und mit
ihr kammermusikalisch experimentieren, erfahren wir viel über die spezielle Orgellandschaft Nordhessens: diese ist weniger von stilistischer Einheitlichkeit geprägt denn durch eine reiche Vielfalt,
die durch die verschiedensten Einflüsse entstanden ist. Und sie glänzt nicht unbedingt durch besonders berühmte große Orgelwerke, sondern eher durch unzählige kleine aber feine Instrumente in teils
abgelegenen Dörfern – die meisten der erhaltenen historischen Instrumente aus dem 19. Jahrhundert, aber auch einige besondere aus älteren Epochen von Frühbarock bis hin zum Klassizismus (wie etwa die
Rindt-Orgel in Hatzfeld/Eder, die Köhler-Orgel in Oberweimar, die Heinemann-Orgel in Wetter oder die Oestreich-Orgel in Gemünden/Wohra).
Aber bereits in der Zeit der Konfessionalisierung gelangt der Orgelbau in Hessen durch die musikalischen Vorlieben der Landgrafen von Hessen-Kassel Wilhelm IV. (1567-1592) und Moritz Landgraf „der
Gelehrte“ (1592-1627) zu seiner ersten großen Blüte – um 1600 waren die Schlösser geradezu voll von Orgeln für die verschiedensten Gelegenheiten, und berühmte Orgelbauer und Musiker wie Heinrich
Schütz wurden hier gefördert. Aus dieser Zeit ist noch das "Althefer-Positiv" im Marburger Schloss erhalten.
Unser großer Dank gilt allen Orgelbauern, Organisten, Bezirkskantoren, Orgelsachverständigen, Journalisten, Pfarrern, Küstern, Konservatoren, Gemeindemitgliedern, Organologen, Autoren von Lexika-Artikeln und allen anderen, denen wir durch das Projekt bisher begegnet sind, und die uns mit großer Hilfsbereitschaft entgegengekommen sind und uns mit Informationen, Erklärungen, Musik und spannenden Geschichten versorgt haben!
Projekt-Team:
Unsere Orgeln: